Auch die FORTEC Elektronik AG (ISIN DE0005774103) kann sich den herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht entziehen. Nach Anpassung der Prognose erwartet der bayerische Elektronik-Spezialist für das laufende Geschäftsjahr 2024/2025 nun einen Konzernumsatz zwischen 80 und 95 Millionen Euro und ein Konzern-EBIT zwischen 4 und 6 Millionen Euro. Das mittelfristige Umsatzziel von 120 bis 130 Millionen Euro wird nun für das Jahr 2030 angepeilt.
Wir haben bei FORTEC-CEO Sandra Maile und COO Ulrich Ermel nachgefragt, was derzeit die größten Herausforderungen sind und wie man diesen aktiv begegnet, in welchen Märkten FORTEC besonderes Potenzial sieht und welche Effekte man sich vom Programm „Strong Together 2030“ erhofft.
NWW: Frau Maile, der Halbjahresbericht 2024/2025 zeigt einen Umsatzrückgang von 23 % und ein drastisch gesunkenes EBIT. Welche internen und externen Faktoren haben Ihrer Meinung nach am stärksten zu dieser Entwicklung beigetragen?
Sandra Maile: Der Umsatzrückgang und das gesunkene EBIT sind auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Extern machen uns die anhaltende Investitionszurückhaltung unserer Kunden und die vollen Lagerbestände zu schaffen. Insbesondere in unserem Hauptabsatzmarkt Deutschland und in den USA haben diese Faktoren erheblich zur aktuellen Entwicklung beigetragen. Wir arbeiten intensiv daran, neue Absatzkanäle zu erschließen und unsere Marktpräsenz zu erweitern, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Intern haben wir mit einigen Herausforderungen bei der Optimierung unserer Lieferkette zu kämpfen. Geopolitische Unsicherheiten bremsen die lähmende Wirtschaft zusätzlich.
Herr Ermel, im Vergleich zu Wettbewerbern, die ebenfalls mit einem schwierigen Marktumfeld kämpfen, scheint FORTEC stärker betroffen zu sein. Oder täuscht dieser Eindruck? Gibt es Bereiche, in denen Sie strukturell nachbessern müssen?
Ulrich Ermel: Dieser Eindruck täuscht. Wir haben den größten von Ihnen beschriebenen Effekt im Bereich Datenvisualisierung. Dies betrifft insbesondere unsere Absatzmärkte in Deutschland und den USA. Eine große Anzahl unserer Kunden kämpfen noch wie von Frau Maile bereits angesprochen mit Investitionszurückhaltungen und vollen Lagern. Unsere unmittelbaren Marktbegleiter berichten leider Identisches, ergo haben wir, wie von Ihnen ausgeführt, klar vor Augen, dass wir weitere neue Absatzkanäle erschließen möchten. Hierzu haben wir zum Beispiel in USA begonnen, erstmalig Leistungselektronik ins Portfolio aufzunehmen und aktive Projekte zu unterstützen, die von der EU in die USA verlagert werden. Parallel dazu stärken wir im Kernmarkt Deutschland unsere Präsenz im Bereich Defense und bauen Medical sowie Transportation international weiter aus.
Die ursprüngliche Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr 2024/2025 von 95 bis 110 Mio. Euro haben Sie auf 80 bis 95 Mio. Euro gesenkt. Welche konkreten Annahmen lagen der früheren Prognose zugrunde, und warum mussten Sie diese so signifikant anpassen?
Sandra Maile: Wir haben die Abweichungen intern genau analysiert und auch sehr transparent in der Hauptversammlung am 13. Februar darüber berichtet. Dabei möchte ich an dieser Stelle auf den HV-Bericht von GSC Research verweisen. In den USA haben unsere Medizinkunden beispielsweise aufgrund rückläufiger eigener Verkaufszahlen Nachfolgeaufträge aufgeschoben und nicht platziert. In Deutschland haben wir im Bereich Datenvisualisierung ein Bestandsgeschäft aktiv abgesagt und einem Marktbegleiter überlassen, nachdem der Kunde die Erwartungshaltung hatte, dass wir mit einer Rohmarge von nur zwei Prozent auskommen sollten.
Die vorläufigen Zahlen zum 31. Dezember 2024, die anhaltend konjunkturellen Schwäche und die akuten geopolitischen Herausforderungen ließen uns keine andere Wahl. Es fehlt derzeit schlicht die nötige Dynamik, um im laufenden zweiten Halbjahr 2024/2025 die ersten zwei Quartale vollständig zu kompensieren und das ursprüngliche Ziel zu erreichen.
Ihr mittelfristiges Umsatzziel von 120 bis 130 Mio. Euro haben Sie von 2026 auf 2030 verschoben. Welche Maßnahmen planen Sie, um das Wachstum wieder zu beschleunigen?
Ulrich Ermel: Ein großes Potenzial sehen und bespielen wir im Bereich Infrastruktur im MENA-Raum, da weiterhin von einer niedrigen Investitionsbereitschaft im Euroraum auszugehen ist. Parallel dazu verfolgen wir mit Nachdruck Projekte die „made in USA“ und „made in EU“ oder auch „made in EGY“ unterstützen. „Local to local“ ist das neue „international“. Selbstverständlich werden sämtliche organische und anorganische Hebel im Euroraum und in USA weiterhin gleichermaßen aktiviert. Wir planen eine stärkere Präsenz an der Westküste der USA und bauen unser Vertriebsteam bei unserer Tochtergesellschaft FORTEC US weiter aus. Zudem reorganisieren wir derzeit in Deutschland unsere Vertriebsteams im Bereich der Datenvisualisierung, um die spezifischen Kundenanforderungen der einzelnen Märkte noch stärker zu berücksichtigen. Dabei stellen wir den Kunden konsequent in den Mittelpunkt unseres Handelns.
Kommen wir auf Ihr im Geschäftsjahr 2023/2024 verabschiedetes Programm ‚Strong Together 2030‘ zu sprechen. Was sind die wesentlichen Punkte dieser Strategie und welche Effekte erwarten Sie davon mittelfristig?
Ulrich Ermel: Wir setzen auf eine Fortführung des Systemansatzes und unserer angesprochenen Local-to-Local-Strategie. Wir werden Leistungselektronik und Embedded-Systeme nun auch verstärkt in den USA anbieten und arbeiten mit Nachdruck am Aufbau unserer Präsenz in der MENA-Region. Hier haben wir bereits im Bereich Medical und Infrastruktur Erfolge und Erfahrungen sammeln können. Gleichermaßen werden die Zielmärkte weiterhin in den bestehenden Regionen ausgebaut und neue innovative Produkte gelauncht.
Es ist eine wahre Freude, wenn man den Gesellschaften auf LinkedIn folgt, denn wöchentlich kommen neue großartige Lösungen für unsere Kunden hinzu. Wir erwarten so mit unseren Medical – OEM – Plattform – HMIs einen Umsatzzuwachs von 1-2 Millionen Euro im Nahfeld und über die ausgebaute digitale Präsenz sowie mit neuen Partnern im Power-Elektronik-Bereich ebenfalls mehrere Millionen Euro.
Ihr Geschäftsmodell basiert auf Stromversorgungen, Embedded-Systems und Displays. Sehen Sie in einem dieser Segmente besondere Wachstumschancen oder müssen Anpassungen in der Produktstrategie vorgenommen werden?
Ulrich Ermel: Wir sehen weiterhin großes Potenzial in der Transformation zum Systemanbieter und werden diesen Weg weiterhin konstant beschreiten. Die einzelnen sehr guten Produkte im Bereich Stromversorgung, Embedded Computing und Displaytechnologie bringen wir im Sinne der Kunden zu einer Fusion der kaufmännischen und technischen Exzellenz.
Die EBIT-Marge ist im ersten Halbjahr 2024/2025 von 9,6 % auf 0,5 % eingebrochen. Welche Gründe gab es – neben dem Umsatzrückgang – dafür und wie wollen Sie die Profitabilität kurz- und mittelfristig wieder nachhaltig verbessern?

Ulrich Ermel: Wir haben in diesem Zeitraum einige wichtigen Investitionen weiterverfolgt, trotz des marktbedingten „Turn-Downs“ im Umsatz. Mit der neuen Vertriebsstrategie und der Re-Organisation im Datenvisualisierungsbereich sind wir auf der Zielgeraden. Zudem haben wir mit dem Standort Kairo die Chance, weiterhin unsere Fixkosten entsprechend zu optimieren.
Bei Vorlage der vorläufigen Zahlen haben Sie von „positiven Signalen für das zweite Halbjahr“ gesprochen. Wie ist das zweite Halbjahr operativ angelaufen und welche Faktoren könnten tatsächlich für eine Verbesserung sorgen?
Sandra Maile: Wir sind mit fast 10 Millionen Euro Konzernumsatz im Januar ins zweite Halbjahr gestartet, der Auftragsbestand lag stabil bei 55 Millionen Euro. Bis Januar lag das Book-to-Bill zwischen 0,8 und 1,4 – im Mittel bei 1,05. Wir brauchen eindeutig mehr Dynamik am Markt, weniger Zurückhaltung bei den Kunden und wir brauchen auch ein starkes politisches Signal für die deutsche Wirtschaft.
Sie haben bei Veröffentlichung der neuen Prognose Strafzölle und Sanktionen als Herausforderungen genannt. Welche Strategien verfolgen Sie, um Lieferketten und Kundenbeziehungen abzusichern?
Ulrich Ermel: Wir beschäftigen uns schon seit einiger Zeit mit der Optimierung unserer Lieferketten. Teilweise sind wir weiter als unsere Kunden, denn diese sind nach wie vor begeistert von den niedrigen Preisen diverser Produkte mit entsprechenden Ursprungsländern. Unsere kurzfristige und mittelfristige Strategie zum Thema Sanktionen und Zolltarife ist bereits zum Jahreswechsel an alle Kunden weltweit verteilt worden. In dieser werden in enger und vertraulicher Abstimmung mit dem Kunden Sicherheitsbestände aufgebaut und vorgehalten, sowie alternative Lieferquellen freigegeben. Die Freigabe alternative Lieferquellen dauert in einigen Projekten Monate, wenn nicht Jahre, aber wir haben bereits den richtigen, zukunftsorientierten Weg eingeschlagen.

Die Aktie von FORTEC hat nach Bekanntgabe der Zahlen massiv verloren. Welche Botschaft haben Sie für Aktionäre, die sich Sorgen um die langfristige Perspektive des Unternehmens machen?
Sandra Maile: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen in der Elektronikindustrie im derzeit herausfordernden deutschen Markt. Die Elektronikbranche ist seit Jahrzehnten für ihre Schwankungen bekannt, jedoch haben die durchschnittlichen Marktwerte in den vergangenen Jahrzehnten einen stetigen Anstieg verzeichnet – und es gibt keine Hinweise darauf, dass sich dieser Trend in Zukunft ändern wird. Wir investieren in zukunftsweisende und relevante Bereiche, arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen und sichern internationale Risiken in den Lieferketten ab. Gleichzeitig erschließen wir weitere Vertriebskanäle, um unsere Abhängigkeit von deutschen und europäischen Märkten zu verringern.
Wir gehen trotz des aktuell niedrigen Kursniveaus davon aus, dass wir absehbar wieder den insgesamt positiven Trend aufnehmen und abbilden werden. Eine Investition in FORTEC ist eine langfristige Investition in die Zukunft.
Frau Maile, Herr Ermel, herzlichen Dank für das Gespräch!