Interview mit Thomas Kicker, Cyan
NEBENWERTEWELT: Damit wir alle zum Anfang auf dem gleichen Stand sind: Können Sie ganz kurz erklären, was Cyan in seinem Geschäftsmodell macht?
THOMAS KICKER: Sehr gerne. Im Wesentlichen sehen wir unsere Verantwortung darin, das digitale Leben sicherer zu machen. Und konkret spezialisieren wir uns darauf, dass wir insbesondere Konsumenten, aber auch kleine Unternehmen als Fokusgruppe beschützen vor Phishing, Ransomware, Clickchecking.
Also jene Faktoren, die insbesondere stark auch mit dem Thema Social Engineering zu tun haben, die heute laut Gartner immer mehr werden und in wenigen Jahren 99 Prozent aller verursachenden Auslöser für Cyberattacken und deren Folgen sind. Genau auf das spezialisieren wir uns als eine Softwarefirma, die vor Phishing, Ransomware und Malware schützt.
NEBENWERTEWELT: Gibt es denn noch andere Schwerpunkte in Ihrer Geschäftstätigkeit?
THOMAS KICKER: Ja, wir hatten bis vor kurzem auch eine zweite Business-Line, und zwar im Bereich mobile virtuelle Netzwerkanbieter. Eine Software, die es ermöglicht, Mobilfunkanbieter zu sein, ohne ein Netzwerk zu haben. Diesen Geschäftsteil haben wir Ende letzten Jahres verkauft und fokussieren uns jetzt voll auf das Thema Cybersecurity, was wir auch seit 15 Jahren bereits machen und innerhalb des wichtigen und großen Segments Cybersecurity, wie gesagt, auf das Thema Phishing Protection.
NEBENWERTEWELT: Wo stehen Sie denn im nationalem wie auch auch im internationalen Wettbewerb?
THOMAS KICKER: Insbesondere die Europäer sind hier Vorreiter im Punkto Bewusstsein und auch Datenschutz. Und wir sind sehr stolz und kehren das auch immer wieder vor, dass wir ein europäischer, ein zentraleuropäischer Anbieter sind. Das heißt, unsere Daten sind hier, unsere Ingenieure sind hier, unsere Server sind hier. Das heißt, wir glauben, dass das ein wichtiger Wettbewerbsvorteil ist und dass wir uns darauf insbesondere auch in Europa besinnen müssen, weil es die strengsten Auflagen gibt und entsprechend auch die besten Vorkehrungen, um hier Datenschutz zu machen. Ich denke also, dass wir hier den Standort als Wettbewerbsvorteil haben, nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt.
NEBENWERTEWELT: In welche Richtung, glauben Sie denn, entwickelt sich Ihre Firma vor allen Dingen auch technologisch weiter? Mir kommt da vor allen Dingen auch das Thema KI in den Sinn, weil auf der anderen Seite des Geschäftes bei den Cyber-Hackern und bei den Cyberterroristen spielt ja KI inzwischen ja auch eine ganz große Rolle.
THOMAS KICKER: Absolut. Was wir technisch im Wesentlichen machen, ist, wir analysieren das Internet und versuchen dort eben zu identifizieren, was sind schlechte und was sind gute Links. Ganz vereinfacht. Und im Zuge dessen kategorisieren wir auch das gesamte Netz. Für diese Aufgaben verwenden wir schon seit vielen Jahren künstliche Intelligenz. Wir haben schon die ersten Vormodelle der Large-Language-Models verwendet zur Texterkennung. Wir verwenden Computer Vision und neurale Networks. Wir verwenden also unterschiedlichste Modelle, die uns helfen zu verstehen, ob eine Webseite im weitesten Sinne gut oder böse ist.
Wir stellen es uns so vor, wir aggregieren sehr viele Datenquellen und lassen dort in Summe 25 unterschiedliche Modelle drüber laufen, um zu identifizieren, ob das ein positiver oder negativer Link ist. Da geht es nicht nur um jetzt zu schauen, wie schaut die URL aus, sondern geht es darum, Bilderkennung zu verwenden zur Kategorisierung, auch ob es hier um Gewalt, Gambling, Pornografie etc. geht. Aber wir gehen viel weiter als das. Wir schauen in Source Codes von Webseiten rein etc. Das heißt, eine sehr umfangreiche Anwendung, um hier KI einzusetzen, weil, wie Sie sagen, man muss die KI mit KI bekämpfen.
NEBENWERTEWELT: Wer sind denn jetzt eigentlich Ihre Kunden und in welche Richtung geht es da vielleicht auch?
THOMAS KICKER: Wir haben bis vor kurzem uns hauptsächlich darauf fokussiert, dass wir über Telekommunikationsanbieter unsere Technologie an Endkunden anbieten. Das heißt, wir hatten zwei Möglichkeiten. Wir haben unsere Filtersysteme direkt im Telekommunikationsnetzwerk integriert. Oder können unsere Filtersysteme auch am Endpoint, also im Mobiltelefon, am Laptop, am PC integriert.
Zunehmend breiten wir aber auch unsere Zielgruppe aus. Wir haben jetzt die erste Kooperation mit Versicherungsunternehmen gestartet. Also auch hier das Thema Cyber Insurance, Cyber Protection sehr wichtig. Und wir reden auch mit einigen Banken. Also dort gibt es extrem viel Phishing und damit Notwendigkeiten, unsere Software zu installieren. Zum Beispiel in einer Banken-App, um die Kunden vor Phishing zu schützen.
NEBENWERTEWELT: Vor wenigen Tagen haben Sie Ihre Halbjahreszahlen 2024 veröffentlicht. Auf den ersten Blick ein Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr um 55%. Ist ja schon eine sehr stattliche Zahl. Operativ haben Sie sich auch verbessert in der Profitabilität, haben aber dennoch noch ein negatives EBITDA von 1,1 Millionen Euro melden müssen. Da schließt sich dann bei mir jetzt als erstes die Frage an, warum noch ein negatives EBITDA?
THOMAS KICKER: Also es ist wichtig zu verstehen, dass wir durch eine sehr starke Transformation gegangen sind. Und ich kann sagen, wir haben große Teile davon abgeschlossen. Das heißt einerseits der Verkauf unserer verlustbringenden Sparte, dieses MWNO-Geschäft, das wir Ende letzten Jahres erfolgreich verkauft haben. Da gab es dann noch einige Prozesse, die erledigt werden mussten. Insbesondere Schließung von nicht verwendeten Entities. Dadurch fehlten natürlich auch Abschlüsse auf der Bilanzierungsseite und so weiter. Außerdem gab es große Einmalkosten, die wir am Anfang des Jahres noch tragen mussten.
Auf der anderen Seite, wie Sie gesagt haben, wachsen wir sehr stark in unserem neuen Kerngeschäft. Unser Kundenwachstum, das letztes Jahr schon 71% getragen hat, geht entsprechend stark auch in diesem Jahr weiter. Und jetzt kommen zwei Effekte zusammen. Zum einen haben wir jetzt stark unsere Kostenbasis reduzieren können, haben hier noch ein paar Legacy-Kosten abgearbeitet. Auf der anderen Seite kommt jetzt der Schwung dieser stark wachsenden Kundenbasis. Unser Business-Modell ist Software as a Service.
95% unserer Umsätze sind wiederkehrender Umsatz, recurring revenues, der eben durch die entsprechend aktivierte Endkundenbasis zustande kommt. Und so kommt jetzt mit dem Kundenwachstum starkes Umsatzwachstum auch. Das setzt sich sofort in der zweiten Hälfte und das trifft dann auf eine stabile Kostenbasis. Das heißt, unsere inkrementellen Kosten sind klassisch SaaS, gehen gegen Null von dem nächsten Endkunden. Und insofern sind wir auf einem sehr guten Weg, genau diesen Weg fortzusetzen, in Richtung Break-Even, in Richtung Profitability.
NEBENWERTEWELT: Herr Kicker, herzlichen Dank für das Gespräch
(Interview vom 02.10.2024, gekürzt)